
„Ach Kindchen, meine Sehkraft lässt nach“, begrüßte mich meine Mutter vor ein paar Monaten und schaute dabei verzweifelt auf die Brillensammlung, die vor ihr lag. „Eine Brille zum Sehen, eine Brille zum Lesen, eine Brille zum Fernsehschauen und trotzdem scheint nie die richtige Brille dabei zu sein.“.
Wenn Lesen beschwerlich wird
Meine Mutter war immer schon eine begeisterte Vielleserin. Die Spiegel-Bestsellerliste war ihr Curriculum und da sie den Lesegeschmack der gesamten Familie gut kannte, gab sie uns immer Tipps, welche neuen Bücher uns wohl gefallen könnten. Aber seit einiger Zeit kann sie nur noch höchstens eine halbe Stunde lesen, bevor die Buchstaben vor ihren Augen verschwimmen, trotz Lesebrille. Die Tasten auf dem Telefon kann sie nur bedienen, weil sie auswendig weiß, auf welcher Taste sich welche Ziffer befindet. Auf der Fernbedienung des Fernsehers drückt Sie regelmäßig die falschen Tasten und dann darf ich kommen und ihr wieder die richtige Eingangsquelle für das Kabelprogramm einstellen.
Bitte nicht falsch verstehen, meine Mutter ist weder debil noch multimorbid. Sie pflegt ihren Freundeskreis, geht täglich in die Innenstadt zum Einkaufen und bewegt sich deutlich mehr als ich zu Fuß. Sie ist ein typisches Beispiel, wie einzelne körperliche Einschränkungen zu einem Verlust an Lebensqualität führen können.
Willkommen im 21. Jahrhundert
Zum Glück leben wir im 21. Jahrhundert. Seit vier Wochen hat meine Mutter eine digitale Assistentin namens Alexa. Diese unterstützt sie, wo sie nur kann. „Alexa, lies mir mein Hörbuch weiter vor“, „Alexa, schalte den Fernseher auf ZDF“, „Alexa, rufe Nathalie an“, so klingt es jetzt in ihrer Wohnung. Fernseher, Stereoanlage und Telefon werden von ihr per Stimme gesteuert.
Und weil das alles so gut klappt, will sie sich nächsten Monat einen Staubsaugroboter kaufen. Einen Namen hat sie schon, sie will ihn Jürgen nennen. Dann heißt es „Alexa, schicke Jürgen los“.